Der Iberger Kalkkomplex

Nordöstlich von Bad Grund hebt sich hart am südwestlichen Harzrand der 555 m hohe Iberg aus der Harzlandschaft heraus. Gekrönt wird der Gipfel durch einen Aussichtsturm (Albert-Turm). Die nordwestliche Fortsetzung des Iberges ist der Winterberg, der aber durch den Abbau von Kalkstein schon weitgehend abgetragen worden ist.

Der Iberg ist ein altes, oberflächig 1,5 mal 1 km großes Korallen- und Algenriff, das im ehemaligen devonischen Meer entstanden ist. Die Lebewesen, die das Riff aufbauten, und die Riffbewohner können heute noch in Form zahlreicher Versteinerungen in den Kalkgesteinen beobachtet werden. Es sind vor allem Einzelkorallen und Korallenstöcke (z. B. die schöne Phillipsastrea) sowie Stromatoporen und Kalkalgen. Aber auch Goniatiten (aufgerollte tintenfischähnliche Meeresbewohner, z. B. das Leitfossil Manticoceras intumescens) können beobachtet werden. Überdeckt werden die devonischen Riffkalke von dunklen, fossilreichen unterkarbonischen Kalken, die reichlich Crinoiden (Seelilienstielglieder) und Korallen führen. Interessant ist das häufige Auftreten von Impsonit. Es handelt sich um ein tiefschwarzes, glänzendes bis erdiges Asphalt-Pyrobitumen. Es füllt örtlich Fossilhohlräume und kleine Klüftchen aus, kommt aber auch tropfenförmig im Gestein vor. Der Name kommt von „Impson Valley“ in den USA.

Eine auf der Unterstrosse des Steinbruches Winterberg niedergebrachte Forschungstiefbohrung erreichte eine Tiefe von 420 m. Das Ziel, die Beantwortung der Frage nach dem Untergrund des Riffes, wurde leider nicht erreicht, da die Bohrung abgebrochen werden musste. Bei 250m Tiefe wurde die Grenze Oberdevon/Mitteldevon erreicht. Zählt man zu den 420m Endteufe die etwa 130m Höhe der Übertagestrossen hinzu, so ergibt sich für das Iberger Riff, zumindest für das höhere Mitteldevon und Oberdevon, eine Mächtigkeit von über 400m!

Fast allseitig von Störungen umgeben, spießt sich heute das Iberger Riff als Horstscholle durch die unterkarbonischen Grauwacken. Da das starre Kalkgestein die Faltungen des Harzgebirges nicht mitmachen konnte, reagierte der Iberg auf die Anlage von zahlreichen Kluftsystemen und Störungen. — Einige mächtige Mineralgänge durchziehen den Riffkomplex. Sie sind mit Calcit, Baryt (Schwerspat) und Siderit (Eisenspat) gefüllt.
Der sagenumwobene Hübichenstein ist eine 40 m hohe, steil aufragende Korallenkalkklippe, eine aus Iberger Riffkalken herausgewitterte und von Störungen begrenzte Einzelscholle auf dem Violenstein. Die Spitze des auffallenden Doppelfelsens wird von einem bronzenen Adler gekrönt, der an Kaiser WILHELM I. erinnern soll. Am Fuße der Felsnadel sind Reste (Pingen) eines weit zurückreichenden Eisenerzbergbaues zu erkennen. Die letzte Betriebsperiode lag etwa zwischen den Jahren 1870 und 1885. Die Erze waren Spateisenstein und manganhaltiger Brauneisenstein. Auch Schwerspat stand hier zeitweilig im Abbau.

Es erhebt sich nun die Frage, warum wuchs das Korallenriff des Iberges gerade an dieser Stelle des Westharzes empor? Wir müssen dabei von einem alten Hochgebiet, einem Untiefengebiet im damaligen Devonmeer, ausgehen. Die Geologen nennen dieses Gebilde die Westharzschwelle, die sich vom heutigen Bad Grund bis südlich vom heutigen Goslar erstreckt haben mag. Auf der Schwelle waren die Bedingungen für ein Korallen- und Algenwachstum gegeben: warmes, klares, Lichtdurchflutetes Wasser. Neben dem Riff, oder den Riffen (?)‚ kamen auf der Schwelle vorwiegend geringmächtige gebankte Kalke zu Ablagerung, in den angrenzenden Becken sedimentieren vorwiegend Tonschiefer, Kieselschiefer usw. (Sösebecken im Südosten, Goslar-Wolfshagener Becken im Nordwesten). Die große Mächtigkeit des Iberger Riffes lässt sich durch das langsame Absinken von Teilbereichen der Schwelle, mit dem das Riffwachstum Schritt hielt, erklären.
Im riesigen Steinbruch am Winterberg wird auf zahlreichen Abbaustrossen ein hochwertiger Kalkstein gewonnen. Die jährliche Förderung von Kalkstein beläuft sich auf 2 bis 2,5 Mio. t. Eine Kalkbrennanlage mit acht Schachtöfen ist angeschlossen. Abnehmer für den Kalkstein sind die Stahlindustrie, Zuckerfabriken, der Straßenbau und Mörtelwerke. Branntkalke und Hydrate finden Verwendung in Ytongwerken, in der Bauindustrie, Landwirtschaft, Wasseraufbereitung, bei der Rauchgasentschwefelung, in der chemischen Industrie und in der Stahlindustrie.

Bei Wanderungen im Bereich des Iberges fallen immer wieder die zahlreichen Einsturztrichter (Erdfälle, Dolinen), Höhleneingänge usw. auf. Das sind die Erscheinungen der intensiven Verkarstung, der das Kalkgestein ausgesetzt war. Die größte der den devonischen Riffkalk durchziehenden Höhlen ist die 150m lange und bis 20m hohe Iberger Tropfsteinhöhle. Sie war schon vor 1500 bekannt, seit 1877 ist sie begehbar gemacht worden. Heute ist die Höhle eine Touristenattraktion. Die Höhle gehört zwar nicht zu den imposantesten Schauhöhlen, gezeigt werden können aber immerhin über 2 m hohe Stalagmiten und der „versteinerte Wasserfall“. Zusammengezählt kann im Iberg mit etwa 8km Gesamthöhlenlänge gerechnet werden. Etwa 20% des Volumens werden dabei künstlichen Bergbaustollen zugerechnet. Der Kalkstein wurde am Iberg teilweise durch Eisenlösungen verdrängt. Der dabei entstandene Siderit (Eisenspat) wurde bei Verwitterungsvorgängen zu Limonit (Brauneisen) umgewandelt. Bis 40 m im Durchmesser zählende Nester wurden von den Bergleuten in den vergangenen Jahrhunderten am Iberg ausgebeutet.

Quelle:
Prof. Dr. KURT MOHR
Meyers Naturführer Harz, 1992
Meyers Lexikonverlag
ISBN 3-411-07201-6
(für weitergehende Informationen - auch aller anderen Gebiete des Harzes - unbedingt zu empfehlen)  


Geologische Prozesse am Iberg

- Riffwachstum des Iberges auf einem untermeerischen Vulkan im Mitteldevon vor etwa 370 Mio. Jahre

- Wachstumsphase des Riffs ca. 20 – 30 Mio. Jahre

- variskische Gebirgsbildung ( Heraushebung des Harzes ) vor ca. 300 Mio. Jahren. Dadurch abscheren der Kappe des Iberges und Umlagern zum heutigen Winterberg

- gegen Ende der Auffaltung entstanden große Verwerfungen, die den gesamten Harz durchziehen

- Aufsteigen heißer Lösungen ( Blei, Kupfer, Zink, Silber, Eisenminerale ) und Ablagerung in den Spaltensystemen im Oberkarbon und später

- erneute Meeresüberflutung des Harzes im Mesozoikum

- Abtragung ( Erosion ) des Harzes seit dem Tertiär, Entwässerung nach Westen, Höhlenbildung, Ablagerung von Geröllen des Oberharzes in den Höhlen

- Ausgeschiedenes Eisenkarbonat ( Siderit ) verwittert mit Sauerstoff aus dem Wasser unter Abgabe von CO2    


- Hohlraumbildung: 3m³ verwitterndes Siderit kann 1,7m³ Kalk lösen
Ausscheidung von Goetit als Mulmerz ( 60% Erzanteil )

Quelle: Führer zur Iberger Tropfsteinhöhle 1985

Luftbildaufnahme vom Iberg bei Bad Grund, Foto: Helmar Spier 2001
Luftbildaufnahmen vom Steinbruch Winterberg, Foto: Helmar Spier 2001

Karsthydrologisches Schema des Iberges


Dieses Schema zeigt sinnbildlich die besondere Situation der Iberghöhlen und macht deutlich warum gerade hier viele Schachthöhlen in Verbindung mit großen Hallen existieren.


Einzigartig für Europa ist die Höhlenentstehung in dieser Größenordnung. Hier wird das für die Kalklösung notwendige CO2 bei der Verwitterung von dem Eisenerz Siderit ( FeCO3 ) freigesetzt und kann somit bei Kontakt mit Wasser in von außen auch nicht zugänglichen Bereichen große Mengen Kalk lösen. Während in den oberen Bereichen des Iberges hauptsächlich Sickerwasser für die Höhlenbildung verantwortlich ist, werden mit zunehmender Tiefe die Hohlräume größer. Dies hängt damit zusammen, das hier eine reiche Vererzung und ein ständig existierender Wasserspiegel vorhanden ist.

Text und Grafik: Ingo Dorsten

Karsthydrologisches Schema des Iberges, Text und Grafik: Ingo Dorsten