Entstehung des Segeberger Kalkberges

In der ostholsteinischen Jungmoränenlandschaft erhebt sich in Bad Segeberg der „Kalkberg“ und bietet mit seinen weißen Gipsfelsen ein malerisches Bild. Der Kern dieses Berges besteht aus Anhydrit (CaSO4), die äußere Schale vor allem aus Gips (CaSO4 x 2 H2O), der dadurch entsteht, dass Anhydrit Kristallwasser aufnimmt. Es wäre also richtiger, den Kalkberg „Gips-“ oder noch genauer „Anhydritberg“ zu nennen.

 
Der Kalkberg ist die einzige Erhebung massiven Felsgesteins aus dem Erdaltertum in Schleswig-Holstein. Daher taucht auch nicht selten die Frage auf, wie es möglich ist, dass dieser knapp 91 m über NN herausragende Berg in dem flachen, nur leicht kuppigen Gelände steht. Karl Gripp, der erste Erforscher der Segeberger Höhle, sagte einmal: „Wenn man auf dem Kalkberg steht, so befindet man sich auf dem Grunde eines Meeres und gleichzeitig auf dem Gipfel eines Gebirges.“ Dieser Satz erscheint unlogisch und hat dennoch seine Berechtigung.

 
Etwa 250 Millionen Jahre muss man in der Erdgeschichte zurückgehen, bis in die Zechsteinzeit, den oberen Abschnitt des Perm, wenn man den Gedanken Gripps auf die Spur kommen will. In jener Zeit war der norddeutsche Raum von einem Binnenmeer bedeckt. Dieses mit dem Ozean verbundene Meer war de damaligen heißen und trockenen Klima ausgesetzt, denn Europa lag seinerzeit in der Nähe des Äquators. Das Wasser verdunstete, und da - ähnlich wie in den heutigen Meeren - verschiedene Salze darin gelöst waren (Anhydrit, Steinsalz, Kalisalze etc.), blieb eine immer stärker werdende Sole übrig. Zeitweilig trocknete das Meer fast ganz aus und die Salze begannen sich, nach ihrer Löslichkeit geordnet, auf dem Grund und an den Rändern abzusetzen. Zuerst lagerte sich Kalk, dann Anhydrit und Gips ab, dann Steinsalz und zuletzt die am leichtesten löslichen Kalisalze. Aus den benachbarten Wüstengebieten wurde durch den Wind Staub herbeigetragen, der sich als Salzton über die abgelagerten Schichten legte und so das Salz vor erneuter Auflösung schützte.

 
Innerhalb von etwa 8 Mio. Jahren erreichten die Salzablagerungen des Zechsteins eine Mächtigkeit von mehr als 1.000 Metern. Zur Bildung dieser mächtigen Schichten genügte daher nicht eine einmalige Eindampfung des Binnenmeeres, sondern es war ein dauernder Zustrom von Salzwasser aus dem offenen Ozean notwendig. War die Verbindung des Meeres zum Ozean breit und tief, so dass der Unterstrom mehr Salzwasser in den Ozean zurückführen konnte, bildeten sich Gips und Anhydrit. War die Verbindung dagegen schmal und flach, bildete sich Steinsalz. Bei stärkster, vielleicht vollkommener Abschnürung kristallisierten in der Mitte des Beckens die Kalisalze aus. Man kann das gesamte Sedimentpaket in sechs verschiedene Ablagerungsfolgen (Salzzyklen) gliedern. Die Meerenge oder der Meeresspiegel müssen sich also sechsmal gesenkt und gehoben haben. In der Folgezeit senkte sich Norddeutschland weiter und die Salzlager wurden von einer mehrere tausend Meter mächtigen Schicht aus Ablagerungen des Erdmittelalters und der Erdneuzeit überdeckt.


Durch den starken Gebirgsdruck der überlagernden Schichten und die erhöhte Temperatur in der Tiefe wurde das Salz plastisch und drang infolge seines geringeren spezifischen Gewichtes an Stellen schwächeren Widerstandes in lang gezogenen Salzstrukturen (Salzintrusionen) oder kuppenartigen Durchbrüchen (Diapiren) nach oben. Hierbei wurden die über dem Salz liegenden Schichten, also auch der Anhydrit, zur Seite gepresst bzw. mitgehoben.

 
Zu erwähnen ist, dass der Salzstock Segeberg ein Doppelsalinar ist, d.h. an seinem Aufbau sind auch die unter dem Zechstein-Salzpaket lagernden Salze des Rotliegenden beteiligt.

 
Schleswig-Holstein liegt zum Teil im Bereich eines großen Bruchsystems, das vom Oberrheintalgraben über die hessischen Gräben und den Leinetalgraben bis zum Oslograben hin zu verfolgen ist. Diese Bruchlinien scheinen den Aufstieg des Salzes in Schleswig-Holstein begünstigt zu haben. Es handelt sich beim Segeberger Kalkberg um einen kuppelförmigen Durchbruch innerhalb des lang gestreckten Salzstockes Segeberg-Sülfeld, der vielleicht an der Stelle der Kreuzung von mehreren Schwächelinien der Erdrinde entstanden ist. Der Segeberger Diapir ist im Süden über eine im Untergrund befindliche Salzansammlung, welche noch auf ihren Durchbruch in der geologischen Zukunft wartet („Salzkissen“) mit dem Salzstock Sülfeld verbunden; im Norden gibt es einen Zusammenhang mit dem Salzkissen Plön. Das Salzkissenstadium hatte der Segeberger Diapir im Keuper erreicht; im Alttertiär kam es durch eine verstärkte Salzzufuhr von der Westflanke zur Durchschlagung der Deckschichten über dem Salz. Die Salzzufuhr von der Ostflanke des Diapirs erfolgte erst im Jungtertiär (Jaritz 1973).

 
Das jüngere Steinsalz, das über dem Hauptanhydrit abgelagert wurde, stieg bis zum Grundwasserspiegel auf und wurde hier fortlaufend gelöst; folglich konnte es nicht über die Höhe des Grundwassers hinausgelangen. Die gleichzeitig mit aufsteigenden Gips- und Anhydritmassen wurden, da sich Gips im Wasser langsamer löst als Steinsalz, in weit geringerem Maße aufgelöst. Der Hauptanhydrit stieg daher über den Grundwasserspiegel bis an die Erdoberfläche auf und verwandelte sich dort zum Teil in Gips. Dieser Gips- und Anhydrithut ist der Kalkberg, der heute weit über seine Umgebung hinausragt.


Früher nahm man an, das Würmeis hätte einen damals schon vorhandenen Gipsberg sicherlich abgetragen. Seitdem aber H. Illies (1955) den nahen Klingenberg als „Nunatak“, d.h. als vom Eis umflossenen Berg erkannt hat, ist dies auch für den Segeberger Gipsberg anzunehmen. Demnach ragt der Berg möglicherweise schon seit Ende der Risseiszeit auf. Da er aber durch Gipslösung und menschliche Tätigkeit seitdem stark verändert wurde, sind Spuren der Vereisung, z.B. Gletscherschrammen, nicht mehr zu erkennen.